Wie sich so eine Arbeitssucht äußert, auf welche Signale sie bei sich achten sollten und wie man die Sucht nach Arbeit bekämpfen kann, weiß Diplom-Psychologe Dr. Stefan Poppelreuter von der TÜV Rheinland Akademie.
SWR1: Wann erkenne ich denn, dass ich an Arbeitssucht leide?
Dr. Stefan Poppelreuter: Die Signale dafür kommen leider häufig von außen, dass mein Umfeld mir die Rückmeldung gibt: Du bist nicht mehr bei uns. Du bist nicht mehr bei der Sache, wenn wir miteinander reden. Du bist ständig mit der Arbeit beschäftigt.
Ich kann es selber auch daran feststellen, dass ich nicht mehr zur Ruhe komme, dass ich nachts aufwache, dass mich arbeitsbezogene Thematiken um den Schlaf bringen. Ich merke es daran, dass ich auch mit der Arbeit zu tun habe, wenn ich eigentlich nicht arbeiten kann, wenn ich beispielsweise krank bin. Das sind erste Alarmzeichen.
Den Widerstand gegen die Arbeit, den ich in mir spüre, sollte ich ernst nehmen, wenn ich beispielsweise merke, ich habe Bauchschmerzen, wenn ich zur Arbeit muss. Ich fühle mich mit der Arbeit einfach nicht wohl. Dann ist das ein Hinweis darauf, dass die Arbeit mich eher belastet. Und wenn ich viel mit der Arbeit zu tun habe, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Belastung noch größer wird und ich letztlich auch krank werde.
SWR1: Wie komme ich dann da raus?
Poppelreuter: Ich kann natürlich immer selbst versuchen, mein Arbeitspensum zu reduzieren und mir einen Ausgleich schaffen. Work Life Balance wird das Neudeutsch heute genannt. Häufig gelingt das aber nicht ohne fremde Hilfe. Fremde Hilfe kann natürlich bedeuten, dass sich nahe Freunde, Verwandte, meine Partnerin, meinen Partner mit einbeziehe. Darüber hinaus gibt es aber für schwierigere Fälle inzwischen ein breites Netz an Selbsthilfegruppen und nicht zuletzt auch an ambulanten und stationären psychotherapeutischen Einrichtungen.
SWR1: Das Ideale wäre, wenn es gar nicht erst dazu käme. Gibt es Maßnahmen, die im Vorfeld greifen? Was können Selbständige und Unternehmen machen, um das Risiko von Arbeitssucht zu reduzieren?
Poppelreuter: Bei den Selbständigen ist natürlich auch immer direkt die Frage nach der Existenzsicherung, die daran hängt. Und das ist dadurch auch ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für Menschen, die in solchen Berufen arbeiten. Auch da ist hohe Sensibilität gefordert. Wie kriege ich ein gutes Verhältnis von Anspannung und Entspannung hin?
Firmen können präventiv darauf hinweisen, dass es nicht zu einer Anhäufung von Überstunden kommen soll und das ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit ganz im Sinne des Unternehmens ist.
Das wissen wir aus der Forschung auch schon, Arbeitssüchtige haben in der Regel am Ende oder in der Mitte ihrer beruflichen Karriere erheblich auch zu tun mit Leistungseinbußen und sind damit letztlich auch für einen Unternehmen nicht besonders förderlich.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.